Derrick Folge 10:
Hoffmanns Höllenfahrt (1975)
Der Fernsehtechniker
Richard Hoffmann (Klaus Löwitsch), bis dato ein unbescholtener Bürger,
vergewaltigt und tötet die Tochter seines Nachbarn, Anneliese (Ingrid
Steeger), der er eines Tages nachts auf der Landstraße begegnet. Die
junge Frau ist auf dem Rückweg von einer Feier, alkoholisiert und mit
dem Fahrrad unterwegs. Als tags darauf ihre Leiche auf einer Müllkippe
gefunden wird, ermitteln Oberinspektor Derrick und Inspektor Klein.
Ein Zeuge (Willy Schäfer) liefert wertvolle Hinweise. In den Fokus
gerät alsbald Hoffmann, der sich zunehmend seltsam verhält und sehr
gestresst wirkt.
Wie alle frühen Derrick-Folgen richtet sich
Hoffmanns Höllenfahrt nicht nach dem Whodunit-, sondern nach dem
Columbo-Schema, bei dem der Täter von Anfang an bekannt ist. Die
Wandlung des Allerweltsmenschen Hoffmann zum Schuldigen wird von
Krimiroutinier Klaus Löwitsch überzeugend dargestellt. Etwas blass
bleibt Judy Winter in der Rolle seiner Ehefrau. Dass die Ehefrau ihrem
Gatten "Probleme mit Frauen" andichtet (wohl aufgrund von
Seitensprüngen, jedenfalls nicht wegen vorhergehender Delikte) wirkt
etwas befremdlich. Hier soll wohl dem Eindruck des Biedermannes, der zum
Täter wird, entgegengewirkt werden, indem Hoffmann als prädestinierter
Verbrecher hingestellt wird. Dem steht der Tathergang entgegen. Hoffmann
scheint sich zunächst gegen das Sexualdelikt zu sträuben, sich dann
aber einzureden, das Gerede Annelieses im alkoholisierten Zustand als
Avancen zu interpretieren. Das Tötungsdelikt geschieht ohne direkten
Vorsatz, wenngleich ein Mordmerkmal (die Tat geschieht zur Verdeckung
einer Straftat) vorliegt. Über einen Eventualvorsatz (billigendes
Inkaufnehmen des möglichen Todes des Opfers) kann man allerdings
streiten.
Ein Problem der Folge liegt in der fehlenden Darstellung
wissenschaftlicher Ermittlungsarbeit. Auch in den Siebzigern sollte es
möglich gewesen sein, ein Auto kriminaltechnisch zu untersuchen, um
festzustellen, ob ein (bestimmtes) Fahrrad im Kofferraum gelegen hat.
Lackkratzer und dergleichen geben Aufschluss, ebenso Schmutz. Geradezu
schlampig wirkt der Umstand, dass man nicht intensiver nach dem Fahrrad
sucht und dass der Einsiedler nicht gefunden wird. Es wäre für die
Geschichte vielleicht besser gewesen, Hoffmann seinen anfänglichen
Vorsatz, den Einsiedler zu töten, ausführen zu lassen, dann hätte
jedenfalls ein Mord vorgelegen. Die Schlussszene wirkt sehr gewollt, um
zu einem gerüttelt Maß an Action und zu einem dem Titel gerecht
werdenden Ende zu kommen und ist sehr unrealistisch. Derrick hätte sein
Ziel auch im Verhörraum erreichen können. Handwerklich überzeugend ist
die Szene aber allemal, Derrick-Zuschauer, die nur die Folgen der
Neunziger kennen, würden ihren Augen nicht trauen.
Fazit: Unterhaltsam. Eine bessere Bearbeitung des Themas liefert die Kommissar-Folge "Mit den Augen des Mörders".